Zum 89. Geburtstag von Günter Rätz

„Freunde der Puppentheatersammlung Dresden e.V.“ trauert um einen langjährigen Weggefährten und Pionier des DDR-Trickfilms, Meister des Trickfilms

Meister des Trickfilms

Der „Freunde der Puppentheatersammlung Dresden e.V.“ trauert um einen langjährigen Weggefährten und Pionier des DDR-Trickfilms, der am 1. Mai verstorben ist. Aus diesem Anlass teilt Lars Rebehn, Oberkonservator der Puppentheatersammlung und seit vielen Jahren Vereinsmitglied, einige persönliche Erinnerungen an Günter Rätz, der am 31. Mai seinen 89. Geburtstag gefeiert hätte:

„Unsere erste Begegnung fand 1999 statt. Die Puppentheatersammlung im Radebeuler Hohenhaus stellte die Schenkung des langjährigen Gestalters des DEFA-Studios für Trickfilm in Dresden-Kesseldorf, Herbert Löchner (1921-2003), aus. Dazu gehörten neben vielen Entwürfen auch einige Trickfilmfiguren, darunter die berühmten Drahtmännchen Filopat und Patafil. Nun kam ein älterer Mann auf mich zu und erklärte mir, dass die Stellung der Figuren nicht korrekt gewesen wäre, er dieses Problem aber bereits behoben habe. Während ich mich noch darüber wunderte, wie er die schwere Glashaube, die ob ihres hohen Gewichtes nicht weiter gesichert war, heruntergehoben hatte, stellte er sich mir als den Regisseur und Animator der zugehörigen Filme vor: Günter Rätz. Er hatte einen hohen Qualitätsanspruch, den ich hier erstmals erfahren durfte.

Günter Rätz, geboren 1935 in Berlin, hatte als Kind die Schrecken des Krieges erlebt und nach der Befreiung vom Nationalsozialismus das Puppenspiel für sich entdeckt. Er wurde Mitglied des Puppenspielzirkels im ‚Haus der Kinder‘ unter Leitung von Inge Borde (1917-2006). Er war begabt und hätte gerne einen künstlerischen Weg verfolgt2, aber sein Vater entschied, dass er etwas Praktisches erlernen sollte. Und so wurde er wie der Vater Maurer. Er war am Bau der Stalinallee in Berlin und der Fertigstellung der ehemaligen KdF-Bauten in Prora auf Rügen dabei. Aber der Körper revolvierte angesichts der schweren Arbeit und so wollte er nun doch seinen Traumberuf Puppenspieler verwirklichen. Aber es kam anders, als ihn der Trickfilmer Jan Hempel 1954 einem Kollegen vor der Nase wegschnappte und als Animator engagierte. 1955 baute er das Trickfilmstudio in Dresden von Anbeginn mit auf und war von 1958 bis zur Schließung des Studios dort als Regisseur beschäftigt. In dieser Zeit entstand ein Werk von über 40 Filmen als Regisseur und weiteren als Animator. Darunter waren so bekannte Filme wie ‚Die fliegende Windmühle‘, ‚Die Weihnachtsgans Auguste‘ und ‚Die Spur führt zum Silbersee‘. Günter Rätz arbeitete dabei über viele Jahre hinweg mit einem kleinen Drehstab, in dem es wenig Veränderungen gab. Wegen seiner hohen Anforderungen an die Qualität der Filme galt er bei einigen Kollegen und besonders bei Anfängern als schwierig, aber das Ergebnis gab ihm recht. Er experimentierte viel – bei Inhalt, Form und Technik. Einige Filme passierten daher auch nicht die staatliche Zensur oder mussten ‚angepasst‘ werden.

Als das DEFA-Studio in Kesselsdorf ‚abgewickelt‘ wurde, befand sich Günter Rätz auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens. Er hatte noch große Pläne, von denen er gerne berichtete. So wollte er unbedingt ‚Pole Poppenspäler‘ nach Theodor Storm verfilmen. Aber solche Pläne ließen sich angesichts der veränderten Welt nicht mehr verwirklichen. Eine neue Heimat fand er beim ‚Freunde der Puppentheatersammlung Dresden e.V.‘, dessen zweiter Vorsitzender er viele Jahre war. Zu seinem 70. Geburtstag widmete die Puppentheatersammlung ihm und seinem Kollegen Gottfried Reinhardt (1935-2013), der am gleichen Tag und zur selben Stunde wie er geboren wurde und mit dem er häufiger zusammengearbeitet hatte, eine Ausstellung im Jägerhof unter dem Titel ‚Phantasie und Abenteuer‘. Erstmals wurde so sein Werk gewürdigt. 2022 gab dann Volker Petzold im Auftrag der DEFA-Stiftung ein Buch über Günter Rätz heraus. In den letzten Jahren schränkte ihn eine schwere Krankheit sehr ein, aber er war ein Kämpfer. Am 1. Mai, nur einen Monat vor seinem 89. Geburtstag, hat er diesen Kampf verloren.“

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